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Tourmalet-Tour
Wer immer noch nicht die Frauen-Tour live verfolgt hat: Am vorletzten Tag mindestens sollte es soweit sein, wenn die Königinetappe ansteht! Von Lannemezan zum Col du Tourmalet geht es am Samstag auf der Ostanfahrt von Sainte-Marie-de-Campan über La Mongie auf den knapp 90 Kilometern über satte 17,1 Kilometer bergauf, die durchschnittliche Steigung beträgt 7,5 Prozent. Aua! Für die spektakulären Aussichten hat da zumindest keine Fahrerin Zeit, aber vom Sofa aus lohnt der Blick über all die Pics und Cols samt der sprichwörtlichen Flanken des Tourmalet. Zum ersten Mal ein Pass von über 2000 Metern Seehöhe!
Der erste Fahrradrennen-Mensch auf dem Col du Tourmalet war anno 1910 übrigens der Franzose Octave Lapize – allerdings zu Fuß. Immerhin gewann er die Große Schleife dann auch, aber noch während der Etappe schimpfte er über die Organisatoren als assasins, also „Mörder“.
Das wird am Samstag ungleich schneller vor sich gehen – und wohl die Vorentscheidung bringen. Schließlich folgt die Schlussetappe am Tag darauf, mit einem Zeitfahren in Pau.
Bis später, Peter!
Morgen geht er also nach Etappenende in Rente, der Peter Sagan – Zeit für einen letzten Blick auf die Skills, die ihn über das Sprinten und sich Quälen, all die gewonnenen Kämpfe um das Grüne Trikot, die gepflegte Frisur und den stets legeren Style auf und neben dem Rennrad hinaus ausgezeichnet haben: die selbstironischen Fähigkeiten. Den John Travolta machen: kein Problem. Lippenbewegen mit mehr Mühe als Verstand: klar. (Damalige) Ehefrau Katarina alias Olivia Newton-John fremdschämhaft erotisiert antanzen: nun denn. Schließlich muss es über den Radsport hinaus was zu lachen geben. Erhol dich, du Tourminator von gestern – ab übermorgen Tanz-Beine hoch!
Bei der Tour ist nach der Tour ist vor der Tour
Nun also gehen zum 110. Mal die Qualen des Tour-Pelotons auf die letzten Meter – und auch wenn es zwischendurch mal ein paar Kilometer zum Mitrollen gab: Drei Wochen und 3405,6 Kilometer sind einfach unfassbar lang… Warum machen die Leute das eigentlich??? Etwas kritischer befasst sich eine Serie des Saarländischen Rundfunks damit, zu sehen in der ARD-Mediathek: „Mythos Tour“, mit den sprechenden Titeln „Tod“, „Überleben“ und „Leben“. Lohnt sich!
Allein schon…
…weil die Eurosport-Kommentatoren der Weisheit heute moralin-sauer reagierten und was daran auszusetzen hatten: Benoît Cosnefroy, du seist hiermit noch einmal gefeiert! Immerhin warst du zu Beginn dieser Tour schon einmal angriffslustigster Fahrer in offiziell – und wenn man am 15. Juli eines Jahres in der Gegend des Kumpels Aurélien Paret-Peintre kurz vorm schweren Anstieg zum Col de Joux Plane vom euphorisierten Fanclub empfangen wird: Ja bitte, selbstverständlich wird dann nicht nur gönnerhaft nach links und rechts genickt! Runter vom Rad und Shallalallala!! Benoît Cosnefroy fährt bei der Tour de France mit! Hallihallo! Als ob das nicht Grund genug für ein paar verwaschene Sprechchöre, zwei bis drei Bengalos und eine Pause mit Fahrradhochhalten ist. Hier also in Bild und Ton: All die Entbehrungen ein paar Sekunden lang belohnt und mal kurz zu Recht in die Weltöffentlichkeit so-zi-alen Me-di-en katapultiert. Einfach gut.
„Da gehört ein paar Leuten der Arsch versohlt, dass sie das seit Jahren abgenickt haben“
….sagte Jens Voigt gerade angesichts der bevorstehenden Großen Schleife des Frankreichs über die vielen Stürze der Vergangenheit, die nicht immer nur mit Berufsrisiko, individuellen Fahrfehlern oder Zufall zu tun hatten, sondern eben auch oft mit einer zu riskanten Streckenführung. „Da könnte man sicherlich die Regeln konsequenter umsetzen“, ergänzte der Ex-Fahrer, der ja selbst für eine Tendenz zur Rasierklingen-Fahrweise bekannt war. Dass die Streckenführung mehr der Spannung als der Sicherheit diene, sei ja klar – aber bisher hätten die Fahrer selbst ihre Macht zu wenig ausgespielt, findet Voigt: „Wenn sie es ein einziges Mal schaffen würden zu sagen: Bis hierher und nicht weiter!“
Auch bei dieser Tour wird es schon am zweiten Tag eine Abfahrt nur sieben Kilometer vor dem Ziel geben, und in den Alpen sind gleich zwei Etappenankünfte direkt nach Abfahrten vorgesehen. Ein ähnliches Streckendesign also wie bei der folgenschweren Etappe der Tour de Suisse am 15. Juni 2023, bei der der 26-jährige Radprofi Gino Mäder auf der Abfahrt vom Albulapass in eine Schlucht stürzte und am folgenden Tag an seinen schweren Verletzungen starb.
Hoffen wir also, dass es ab Samstag und bis zum 23. Juli 2023 (dem Starttag der Tour de France Femmes) glimpflich abläuft! Dass mit Roglic, Evenepoel, Thomas und etlichen anderen so viele (Mit-)Favoriten fehlen werden, kann das Ganze aus sportlicher Sicht ohnehin nur spannender machen, da bräuchte es nun wirklich nicht auch noch eine möglichst infernalische Etappengestaltung. Jens Voigt selbst bleibt auch nur Daumendrücken: „Die Situation ist zu verfahren, um dramatische Änderungen machen zu können, ich sehe keine leichte Lösung, die für alle Beteiligten bequem ist.“ Bonne chance also, dass alles gut ausgeht.
Grand Départ diesmal nicht in Kopenhagen, sondern im baskischen Grünen: Bilbao–Bilbao am 1. Juli, danach viele Kletterkilometer durchs Hinterland.
Und so war das nämlich alles im letzten Jahr: