Archiv für die Kategorie „Rennrad“
Brust rein!
Nicht nur Touris scheinen sich oberbekleidungsmäßig öfter danebenzubenehmen im Kalabrischen – die Camping-Bar von Praia a Mare ziert eine entsprechendes Doppel-Beschilderung: Zielort beim Giro d’Italia 2016! Eintritt mit nacktem Oberkörper verboten!!
Unklar bleibt, ob damit der ein oder andere Rennradrennenmitrenner gemeint sein könnte…
…oder es doch um den damaligen Gesamtsieger Vincenzo Nibali geht. Der „Hai von Messina“ hat jedenfalls sicher sein Outfit angepasst – irgendwie musste er ja nach dem Podiumsschampus an’nen Caffè kommen!
Alpe d’Huez, potzblitz!
Ob und wie die verbliebenen 120 Fahrerinnen morgen alle mit den berghohen Strapazen von Col de Tamié und Col du Glandon (auf 1.924 Metern gelegen und damit höchster Punkt der diesjährigen Tour de France Femmes) bis zur mythischen Bergankunft auf dem Alpe d’Huez zurechtkommen werden: Fragzeichen. Und ob sich die auf der 5. Etappe gestürzte und sich mit ohne Hilfe ihres Teams ins Ziel gerettete Oberfavoritin Demi Vollering ausgerechnet am letzten Tag doch noch gegen Kasia Niewadoma, die Frau im maillot jaune, durchsetzen wird: oberspannend. 1,23 Minuten Rückstand: Ausrufezeichen ja nur auf normalen Etappen. Denn morgen könnte es episch werden.
Wenn sich dann hier….
zum ersten Mal ever auch Frauennamen finden lassen womöglich?! Und eine Fahrerin ganz sicher namentlich in die Radsportgeschichtsbücher eingeht: als erste Siegerin von Alpe d’Huez. Nach mehr als 4.000 Höhenmetern als Grand-Boucle-Abschluss-Etappe 2024. C’est magique!
Daccordi Idioma – andiamo!
Es gibt sie noch, die nochmal kleineren Fahrradmanufakturen, die die italienische Fatto-a-mano-Tradition weiterführen. So wie „Daccordi“ aus dem toskanischen San Miniato – 1937 gegründet von Giuseppe Daccordi, dessen Sohn Luigi trotz anfänglicher Familienstreitigkeiten in den 1970ern mit einsteigt und die Marke ausbaut, Kooperationen mit anderen Firmen schließt, bei Profi-Teams mitmischt, 1988 sogar für den Dreifach-Gold-Rolli von Paralympics-Star Sabrina Bulleri verantwortlich ist und sich eben auch auf Mountainbikes oder Fat Bikes einlässt. Ebenso wie seine Tochter Sena, die seit rund fünfzehn Jahren die nächste Daccordi-Generation repräsentiert.
Absoluter Markenkern sind aber immer noch Rennräder. Und die gibt es schon länger auch aus Carbon – anders als bei vielen anderen kleineren Herstellern schon 2003 als In-house-Produktion. Was ein Jahr später noch so aussah:
Inzwischen sind die Klebe- und Konstruktionsprozesse na klar ungleich professionalisierter. Und so wunderschön ist dann das, was dabei rauskommt:
Das Daccordi Idioma. In Blue Giotto alias Night Blue. Ein beeindruckendes Rennrad, in Italien handgemacht, um auch hier die Straßen zu erobern.
Daccordi Idioma – Carbon-Rennrad mit elektronischer Schaltung
individuell aufgebaut:
- Carbon-Rahmen mit fünfeckigen Rohren
- elektronische Schaltung: SRAM Rival eTap AXS (2x 12 Gänge)
-> damit fein abgestuft für individuelle Trittfrequenz - Laufräder: Fulcrum Racing 4DB
- Deda Vinci Lenker und Vorbau
- Sattel: Fizik Arione
- Reifen: Continental Grand Prix 4 Season
Wie Daccordi selbst sagt: „Es ist ein Fahrrad, das überall Aufsehen erregt und die Essenz von Eleganz und Stil einfängt (…) Aber lassen Sie sich nicht von seinem eleganten Äußeren täuschen – das Idioma ist ein Kraftpaket für unterwegs“!
Und weil in San Miniato alles etwas kleiner und überschaubarer ist als bei größeren Firmen, fällt auch der Präsentations-Clip des Idioma-Modells entsprechend intimer aus:
Auf die harte Tour
Che peccato!!! Die Tour de France Femmes startet morgen nicht nur ohne Vorjahres-Zweite Lotte Kopecky, die sich für einen Start bei den olympischen Radrennen (mit Bronze auf der Straße belohnt) und den erst heute beendeten Bahnrad-Wettbewerben (mit einem harten vierten Platz) entschieden hatte, sondern auch ohne Elisa Longo Borghini: Crash beim Training am Samstag, bis Montag wird das einfach nix mehr… Oha! Wer soll Demi Vollering nun aufhalten???
Nice try
Man nehme zwei Rennräder und schweiße sie zu einem Renn-Tandem zusammen, das dann auf einer Rad-Tour von Schweden Richtung Süden halten soll. Und wenn dann auf der Rückreise ein Auffahrunfall glimpflich ausgeht, aber eine verbogene Gabel zur Folge hat und man ja aber trotzdem irgendwie nach Hause strampeln muss, dann besuche man eine Fachwerkstatt und hole sich Tipps. Zum Beispiel: Setze dich vors Rad, stelle einen Fuß auf die Pedale – und dann ziiiieeeeh die Gabel kräftig nach vorne…
Und wenn das dann nicht reicht, weil auch das Steuerrohr verbogen ist und deshalb trotzdem der Reifen am Rahmen schleift, dann gibt’s eben doch eine längere Ersatzgabel. Nun ja, da passt dann auf die Schnelle keine der langschenkligeren Bremsen, die so eine Fachwerkstatt immer rumliegen hat – aber mit der alten sollte es gehen, zumindest, wenn du dir dann abends auf dem Campingplatz (auf dem man nicht im Zelt, sondern bloß in einer Hängematte schläft, weil die Wettergottheiten zuweilen eben doch auf der Seite der Radtourenden sind) eine Feile zur Hand nimmst und die Bremsbeläge ein bisschen runterfräst. Dann heißt es nur noch: lycka till! Weil zumindest bis nach Hause sollte es reichen. Danach muss es leider heißen: Hejdå, geliebter Totalschaden! Und Danke für die Abenteuer!
Medaillen dies das
Heute also Olympisches Zeitfahren in Paris. Erster Starter bei den Männern um 16.32h: Amir Ansari vom Stockholm Cykelklubb, im Iran geborener Afghane, geflohen nach Europa 2015 und angekommen in Schweden. Da war er 17 Jahre alt und hatte schon viel Mountainbike-Erfahrung im Junioren-Nationalteam gesammelt, aber als ein Freund ihn zum Stockholmer CK brachte, fand er seine Rad-Leidenschaft auf der Straße. Und nun repräsentiert er mit 36 anderen Athlet*innen das IOC Refugee Olympic Team und damit 120 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg oder Elend sind. Das Fahrradfahren hat Amir Ansari das Leben gerettet, sagt er, auf viele verschiedene Arten sogar. Und: „My message to all the refugees is to keep fighting, and never give up. My message to all others is: Help each other.“ Isso.
Bini statt Ete
Heute abend bei „arte“ und parallel in der Mediathek: Wie es Biniam „Bini“ Girmay erging auf seinem Weg von Eritrea ins Grüne Trikot bei der aktuellen Tour de France mit gleich drei Etappensiegen. Beeindruckend Hilfsausdruck!!
Auguri, Fiat!
Genau vor 125 Jahren gründeten neun Entrepreneure in Turin die Fabbrica Italiana Automobili Torino. Automobili? Was haben die hier zu suchen? Abgesehen von der Liebe zum 2300er Familiare sogar etliches! Denn die Erfahrenen unter uns werden sich an das Jahr 1977 erinnern, als Eddy und seine Teamkollegen in den Farben von „Fiat France“ unterwegs waren:
Fünfzehn Jahre später wurde eines der sonderlichsten Concept Cars geschaffen, mit dem jemals die Symbiose von bicicletta und auto versucht wurde: der 1992er Fiat Cinquecento Z-ECO concept by Carrozzeria Zagato… Hier die ganze Modellreihe – und hier ein Vorgeschmack:
Und die richtig, richtig Erfahrenen unter uns werden sich sogar erinnern, dass auch der ausgesprochen automobili-zentrierte Bauer einst eine eigene Fahrrad-Produktion hatte. 1909 begannen die Planungen dazu, als alle Welt dem Bicycle Craze unterlag und die Turiner mithalten wollten. Francesco Di Sario hat für die Associazione Velocipedistica Piemontese eben diese kurze Fiatfahrradepoche wunderschön beschrieben – und übrigens auch ein auf Deutsch übersetztes Buch über die Turiner Fahrradtechniklegende Tommaso Nieddu verfasst. Aber zurück zum Team Fiat: Dessen Geschichte begann mit einem Paukenschlag! Am 31. Oktober 1910 wurden auf einer neuen Radrennbahn mit Betonbahn der italienische Rekord für 100 km und der Weltrekord für die Stunde gebrochen.
Für 1911 war das Profiteam komplett. Nun fuhr auch Ex-Peugeot-Star Lucien Mazan alias Petit Breton, „kleiner Bretone“ also, für den ambitionierten Rennstall „Cicli Fiat“, der etliche Etappensiege bei diversen Rundfahrten und einmal in Person des kleinen Bretonen auch nur gaaaanz knapp nicht den Giro-Gesamtsieg einheimste – Schuld war eine defekte Hinterradnabe mit Getriebe (das er selbst unbedingt gewollt hatte). Mazan musste auf der elften Etappe von Bari nach Neapel aufgeben.
1912 war alles wieder vorbei – der Libyenkrieg verlangte nach Fahrzeugen und Ausrüstung, nicht nach Fahrrädern. Di Sario zitiert den damaligen Fiat-Fahrer Eberardo Pavesi aus „L’avocatt in bicicletta“ von Gianni Brera: Der Fahrrad-Sektor-Manager Follis sei sehr freundlich gewesen und habe dem Team mitgeteilt, dass Fiat „bereits zu viele Autos herstellte und die Fahrradabteilung erweitert oder abgeschafft werden müsse. So wie es war, kam es nicht zurecht.“
Das Ende vom Lied: Die Produktion wurde aufgegeben, der Rennstall abgewickelt. Alle Verträge wurden „auf diese angenehme Art und Weise gelöst: dass wir das letzte bisschen Geld bekommen und viel Glück.“ Der Rest ist Geschichte. Und Pavesi, der flugs zum „Team Atala“ wechselte, feierte noch im selben Jahr seinen einzigen wirklich großen Erfolg: den Gesamtsieg beim Giro d’Italia. Dem er dann ab 1920 als direttore sportivo von zunächst Bianchi und dann Legnano einen draufsetzte: Pavesi war es, der zahlreiche Talente entdeckte und förderte, unter ihnen ein Alfredo Binda, Gino Bartali und Fausto Coppi!
Tour d’Honneur
Die Tour de France 2024 ist die letzte Große Schleife für einen großen Fahrer – und dieser Romain Bardet tut bisher alles, um einen unvergesslichen Abschied hinzulegen, mit Etappensieg und alles. Nun will sein Fan-Club nachlegen: Am 10. Juli geht es durch die Heimat des verschmitzten grimpeurs, das Zentralmassiv, und da soll es krachen.
Am Puy Mary, wo „Magic Bardet“ 2020 mit einer Gehirnerschütterung aussteigen musste, erwartet den zur Zeit 41. der Gesamt- und 14. der Bergwertung sicher ein Spektakel. Zumal er mit den Ergebnissen des 2. Wahlgangs in seiner Heimat mehr als zufrieden sein dürfte, hatte er (wie übrigens auch Thibaut Pinot) doch schon vor der letzten Stichwahl 2022 zu den französischen Sportler*innen gehört, die sich in einer Erklärung gegen Le Pens Rassemblement National aussprachen: „Le sport auquel nous croyons, celui des valeurs de l’olympisme, est fait d’amitié et de respect ; il est le lieu de la mixité. Il refuse toutes les discriminations.“ – also: „Der Sport, an den wir glauben, der Sport der olympischen Werte, besteht aus Freundschaft und Respekt; er ist der Ort der Mischung. Er lehnt jede Diskriminierung ab.“
Deshalb sei den Bardet-Tifosi das historische Wortspiel mehr als erlaubt… Allez, Romain!!!
Kein Quatsch: Es ist Tour de France
Aber die von 1975 war vielleicht noch ein büsken lustiger (;