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Da geht doch noch was

Nicht E-Autos werden die Verkehrswende zum Guten bringen – Öffis und Fahrräder sind die Lösung! Immerhin etwa ein Fünftel der in Deutschland anfallenden Treibhausgasemissionen stammen aus dem Verkehr, insbesondere aus dem „MIV“, dem „motorisierten Individualverkehr“. Und obwohl gefühlt seit Jahren tausendmal so viele Leute auf dem Rad unterwegs sind, hat sich laut aktuellem Energiewendebarometer 2021 der KfW-Bank der Anteil an Fahrradfahrten nur minimal erhöht: von 6,2% anno 2002 auf 6,4% in 2017. Öffis kletterten zwar auf einen Anteil von 18,8% (2002: 14,2%) – aber knapp 75% der Strecken werden im MIV bewältigt.
Um mal die Dimensionen klarzumachen: Im selben Zeitraum stieg die Summe der im MIV mehr zurückgelegten „Personenkilometer“ um 10%. 43 Millionen Fahrzeuge legten anno 2017 also 240 Millionen Personenkilometer mehr zurück als 15 Jahre zuvor. 2020 lag die Auto-Mensch-Quote in Deutschland bei schon 580 zu 1000, das sind durchschnittlich rund 1,14 Pkw pro Privathaushalt…

© wal_172619 bei Pixabay
Untypisch – aber schööön! (Bild: wal_172619 bei Pixabay)

Dass nun nicht alle Menschen vom Auto auf Rad oder Bus/Bahn umsteigen können und müssen, ist klar. Das lässt sich auch nicht durch mehr und bessere Radwege, regelmäßige (Land) und günstigere (Stadt) Öffi-Linienführung oder E-Bikes für alle erreichen. Aber dass die Fraktion der renitenten Auto-Maniacs laut der aktuellen „Verkehrswende“-Studie mehr als ein Drittel ausmacht: mindestens erstaunlich! Und trotzdem titelte der Spiegel dazu „Fahrrad statt Auto – auch auf dem Land möglich“. Denn immerhin knapp 66% der Befragten gaben an, sich einen Wechsel von Chaise auf Drahtesel vorstellen zu können, und da ist es auch egal, ob sie auf dem platteren Land oder in städtischeren Gegenden wohnen. Was es dazu brauchte:


Ergebnisse der Verkehrswende-Umfrage der KfW bei at Fahrräder, deinem Fahrradladen in Lübeck
Zitat aus der KfW-Auswertung zur Verkehrswende

Das ließe sich doch mal schön auf die Agenda der neuen Regierung packen – die muss nun schließlich ganz ohne die Expertise eines Andreas Scheuer auskommen und lässt angesichts des koalitionsinternen Werte-Spielraums insbesondere zwischen Gelb und Grün ohnehin eher ein verkehrspolitisches Taktieren befürchten. Also: Die KfW hat immerhin 4000 Leute gefragt, das ist mehr als repräsentativ. Und sie weiß auch: in der Regel gering besetzte Pkw bleiben energetisch ineffizient, ob mit oder ohne Akku. Hingegen stößt ein Nahverkehrsbus pro Personenkilometer immerhin nur rund die Hälfte der Pkw-Treibhausgasemissionen aus. Sogar ein Pedelec verbraucht laut einer Studie vom Umweltbundesamt (UBA) für eine Strecke von 10 km nur so viel Energie, wie es braucht, um 0,7 Liter Wasser bei Raumtemperatur zum Kochen zu bringen. Die zur Stromerzeugung anfallenden Luftschadstoffe betragen noch dazu nur ein Bruchteil dessen, was Verbrennungsmotoren ausstoßen. Und die Akkus? Sie belasten das Klima laut UBA in der Herstellung und Entsorgung mit 22-30kg CO2-Äquivalenten (CO2eq). Vergleicht man das mit 21,5kg CO2eq pro 100 km aus eingesparten Pkw-Kilometern, sind im Vergleich zum Verbrenner bereits nach 100 Pedelec-Kilometern die Treibhausgasemissionen des Akkus beglichen. (Das Akku-Rohstoff-Dilemma bleibt natürlich bestehen, aber bei der CO2eq-Rechnung unbeachtet)
So. Und ein Fahrrad mit ohne Motor? Belastet das Klima-Konto ausschließlich dann, wenn es hergestellt, und in ungleich geringerem Maße, wenn es ggf. entsorgt wird. Dazwischen liegt ein Fahrradleben in reiner Klimaneutralität, gefüllt mit frischer Luft, guter Laune, gefütterten Muskeln, gestärktem Herz-Kreislauf-System, unmittelbarem Erleben von Landschaft und Leuten, Unabhängigkeit von Fahrplan und/oder Parkplatzsuche, wachsender Zuneigung – und wettergerechtem Kleiderwechsel ma sagen. Die perfekte Verbindung von Vernunft und verliebt. So nämlich!

Carlos Daniel on Wunderstock
Besser geht’s doch gar nicht (Bild: Carlos Daniel bei Wunderstock)

Jetzt wird’s wissenschaftlich

Da der Herr Scheuer ja in echt gar nicht nur für Maut-Triumphe und StVO-Formfehler Autos zuständig ist und auch in seinem Ministerium inzwischen der Begriff „Verkehrswende“ durch die Flure hallt, hat er etlich Geld aus der Portokasse genommen, um insgesamt sieben Professuren für Radverkehrsmanagement stiftend zu fördern. Weil: „Wir denken den Radverkehr damit ganzheitlich, von den Grundlagen der Ausbildung bis zur konkreten Praxis, die für die Radfahrenden erlebbar wird.“ Ja, genau! Aber immerhin ist deshalb heute der erste Arbeitstag der ersten Professorin für Radverkehrsmanagement ever, an der Ostfalia in Salzgitter – herzlichen Glückwunsch, Prof. Dr. Jana Kühl!

Jana Kühl auf Kiels Veloroute 10, mit Lastenrad mobil (Quelle: Ostfalia)

Die Mobilitätsfachfrau hat bisher in Kiel geforscht und ist nun mit ihren fünf Rädern für alle Gelegenheiten ins nördliche Harzvorland umgezogen. Einen eigenen Radverkehrs-Master wird man auch an der Ostfalia noch nicht machen können, aber in Wirtschaftsingenieurswesen, Mobilität und Verkehr oder Tourismus soll es ab jetzt verstärkt um die Frage gehen, wie das Fahrradfahren mitgedacht und weiterentwickelt werden kann. Hört sich so einfach wie selbstverständlich an, aber auch Prof. Kühl weiß um die täglichen Verteilungskämpfe: „Generell ist Verkehr vielfach noch eine sehr emotionale Aushandlung zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern, wer wieviel Raum beanspruchen kann. Hier müssen wir als Gesellschaft zu einer anderen Wahrnehmung von Radfahrenden kommen und ihnen mehr Raum gewähren.“ Und das wäre doch schon mal was!

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