PBP 2019 – Vive le Velo!

„Nach Paris-Brest-Paris ist man nicht mehr derselbe“ war einer der vielen Klischeesprüche, die ich vor PBP oft gehört habe. Jetzt – nach PBP – muss ich sagen: Diese und fast alle anderen Prophezeiungen haben sich in irgendeiner Weise bewahrheitet.

Was waren wir für arrogante Schnösel vor Paris-Brest-Paris! Unter 80 Stunden war unser als „gut machbar“ eingestuftes, inoffizielles Ziel. Insgeheim hatte ich mir 75 Stunden vorgenommen. Alles auf Basis der Zeiten unserer zwei 600er. Und natürlich beruhend auf dem Gefühl, dass die meisten Randonneure nur Bummler seien und man selber ja ein ganz anständiger Radrennfahrer… Am Ende haben wir 86,5 Stunden gebraucht und sind stolz wie Bolle!!!! Wir haben es geschafft! Es war gleichzeitig das Extremste und Schönste, was ich bisher im Sport erlebt habe.

Es gibt natürlich Erklärungen für diese Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wir haben zu wenig geschlafen (rund 5 Std. insgesamt) und zu oft gestanden/gegessen (rund 30 Std.). Ein Teil dieser Zeit ist auch auf unsere romantische Idee zurückzuführen, vom Start bis zum Ziel immer zusammenzubleiben. Die jeweiligen Bedürfnisse sind dafür allerdings zu verschieden.

Es geht aber bei PBP gar nicht um Zeiten. Die sind nur fürs Ego. Alle Teilnehmer sind Helden. Egal welche Zeit. Sogar egal, ob man das Limit verpasst. Jeder ist an seine Grenzen und eventuell sogar darüber hinaus gegangen, und jeder hat es überhaupt erst einmal gewagt, dieses irrwitzige Unternehmen anzugehen.

Die Franzosen haben das verinnerlicht. Jeder Radfahrer wird mit Begeisterung empfangen. Und diese Freude ist so ehrlich, ungeschminkt und kindlich, dass ich während der Tour – und selbst beim jetzigen Schreiben – Tränen in den Augen hatte. Ich werde das mein Leben nicht ohne Rührung erzählen können…

Überall werden die Radfahrer wie auf Händen getragen. Autofahrer hupen und winken schon von weitem, in allen Dörfern stehen Alt und Jung am Straßenrand, winken, klatschen ab, verteilen auf eigene Rechnung Wasser, Cola, Kuchen und Obst und bleiben oft genauso lange durchgehend wach wie die Radfahrer. Mit zwei kleinen Mädchen, die mich zur rechten Zeit mit Wasser gerettet haben (es waren 36 Grad), habe ich ein Foto gemacht und die Hand geschüttelt. Sofort kamen fünf Kinder dazu, und jedes hat mir die Hand geben wollen und mich unter den klassischen Rufen „Bon Chance! Bon Courage! Allez!“ verabschiedet.

Selbst nach der Zieldurchfahrt auf dem Weg zum Campingplatz rief plötzlich jemand an der Ampel etwas wie „Seht, was er für eine schöne Medaille hat!“ Und alle anderen: „Bravo!!“

Nachts auf dem Weg nach Tinteniac, es waren überraschenderweise in den Tälern feuchte 3 Grad, die mich regelrecht ausgequetscht haben, kamen wir gegen 4 Uhr in ein Bretonisches Dorf. Am Straßenrand saß eine alte Dame alleine in Decken gemummelt, eine Hand außerhalb zum Winken. Als wir sie grüßend passiert hatten, rief sie hinterher: „Vive le Velo!“

 

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